TECHNISCHE
UNIVERSITÄT BRAUNSCHWEIG FACHGEBIET ARCHITEKTUR UND STADTBAUGESCHICHTE PROF. DR. PHIL. KRISTIANA HARTMANN |
Stadtbaugeschichtliches Seminar WS 94/95 |
Leiterin : Dipl.Ing. Cordula Uhde | Bearbeiter : Thomas Wölk |
Seit dem 8.Jh. übernehmen die Wikinger den Ostseehandel
von den Friesen, allerdings sind ihre Raubzüge bekannter
als ihre Leistungen als Händler. 845 wird Hamburg
derart zerstört, daß Bischof Ansgar fliehen muß
und der Bischofssitz von der "Hammaburg" nach
Bremen verlegt wird. Der Handel der Wikinger ließ
zunächst Birka und später Haithabu einen
fast "städtischen" Charakter erlangen. Arabische
Reisende bezeichneten beide als "volkreiche Städte".
Um 970 wird Birka verlassen und 1066 zerstört eine
slawische Flotte Haithabu. Obwohl Schleswig, die
Nachfolgesiedlung Haithabu's am anderen Schleiufer, um 1070 Bischofssitz
und vor 1150 Stadt wird, kann sie nicht an den wirtschaflichen
Erfolg von Haithabu anknüpfen.
Die nächsten Händler in der Ostsee wurden die Slawen.
Orte wie Wolin, Stettin und Danzig waren
schon früh größere Häfen. An der Trave wurde
um 819 der Fürstensitz der slawischen Obodriten "Liubice"
(> Alt-Lübeck ) von einem Wall umgeben und langsam ausgebaut.
Es gab eine kleine Kirche und eine Siedlung deutscher Kaufleute.
Der Ort lag an der Trave zwischen dem heutigen Lübeck und
der Flußmündung, auf einer Halbinsel, die durch die
Mündung der Schwartau in die Trave entstand. Der Obodriten
Fürst Heinrich (1093-1127) baute Liubice zu einem
neuen Handelszentrum aus, aber bereits 1138 wurde Liubice
durch eine slawische Flotte angegriffen und gründlich zerstört.
Zwischen 1170 und 1184 überfiel der dänische König
Waldemar Wolin viermal, daß sich davon nicht wieder
erholte. Die Zeit war nun reif für den Aufstieg eines neuen
großen Handelszentrums an der Ostsee.
Seit 1111 besaßen die Schauenburger das Grafenamt von Stormarn und Holstein. Hamburg wurde neu befestigt und 1134 unter Kaiser Lothar III die "Siegesburg" errichtet (Bad Segeberg). Es fehlte aber immer noch ein deutscher Hafen an der Ostsee. 1143 legte Graf Adolf II, an der Stelle der alten Burg Boku des slawischen Fürsten Cruto, eine neue gräfliche Burg an und ließ südlich davon eine Händlersiedlung mit Hafen errichten.
Der neue Ort befand sich etwa 4 km flußaufwärts (südl.) des alten slawischen Hauptortes Liubice und bekam auch dessen Namen; Liubice > Lübeck. Die heutige Altstadtinsel war damals noch eine Halbinsel, die erst durch einem Durchstich im 19.Jh. zu einer Insel wurde. Die Lübecker Altstadtinsel ist in N-S Richtung ca. 1,5 km lang und an der breitesten Stelle etwa 1km breit. Die Wakenitz nähert sich im Norden bis auf ungefähr 200 m der Trave von Osten, umfließt dann den östlichen Teil der Halbinsel und mündet im Süden in die Trave. Die Burg befand sich an der schmalsten stelle der Landbrücke im Norden der Halbinsel und riegelte diese so vom Umland ab. Entlang der Mitte der Halbinsel zieht sich eine Hügelkette bis zur Südspitze. In der Mitte stoßen einige Hügel weit nach Westen vor und bieten so guten Untergrund für einen Hafen, da alle anderen Ufer der Halbinsel damals stark versumpft waren. Die Halbinsel war leicht zu verteidigen und bot ideale Bedingungen für eine Stadt. Auf dem südlichsten Hügel der nach Westen vorstieß und dort einen steilen Abhang bildete, wurde vermutlich die erste Kirche gegründet, die Vorgängerin der heutigen Petri Kirche. Unterhalb dieser exponierten Stelle entstand der erste Hafen, der sich wohl bis über die heutige Holstenstraße nach Norden ausdehnte. Der Markt befand sich vermutlich am Klingenberg, wo der Weg, der von der gräflichen Burg und Mecklenburg kommt, nach Südosten abknickt und über einen Wakenitzübergang zum alten Elbübergang bei Lauenburg und weiter nach Bardowiek, und später Lüneburg, führt.
Herzog Heinrich der Löwe behinderte zunächst die gräfliche
Siedlung, da Graf Adolf II sie ihm nicht überlassen wollte
und verbot ihr, einen Markt abzuhalten. 1157 wurde die junge Siedlung
durch ein Großfeuer derart zerstört, daß die
Bewohner sich an Heinrich wandten und ihn baten, ihnen einen Platz
zuzuweisen, wo sie eine neue Siedlung gründen könnten
und einen Markt abhalten dürften. Heinrichs Gründung
der "Löwenstadt" wakenitzaufwärts
war aber erfolglos und als Graf Adolf ihm das alte Stadtareal
überließ, wurde Lübeck an der selben Stelle
1159 ein zweitesmal "neu" gegründet.
Seit 948 bestand in Oldenburg in Holstein ein Bischofsitz.
Bischof Gerold nutzte die günstige Gelegenheit und veranlaßte,
daß das Bistum 1160 in die neue Stadt Lübeck
verlegt wurde. Schon 1163 wird eine Bischofskirche aus Holz erwähnt.
der Dombezirk befindet sich am südlichen Ende der Halbinsel,
westlich des Wakenitzübergangs nach Süden. Die neue
Stadt entstand zwischen den beiden Polen der gräflichen und
der bischöflichen Burg.
Dom und Burg werden durch zwei parallelen Straßen verbunden,
die sich am Klingenberg treffen, wo die westliche Straße
nach Südosten abknickt und so den Dombezirk umgeht. Nördlich
des Klingenberges, an der höchsten Stelle des Stadthügels,
entstand der große Marktplatz mit der Marienkirche an seiner
Nordflanke. Von der Westseite laufen 5 parallele Straßen
nach Westen an das Traveufer mit dem neuen Hafen. Die südlichste
Straße des neuen Kaufleuteviertels (Holstenstraße)
bildet die Grenze zum Bereich um den Petrihügel. Die vier
Baublöcke zwischen Markt und Trave gelten allgemein als das
"Gründerviertel" der Kaufleute bei der Gründung
von 1159. Dieses Viertel, der Bereich um die Petrikirche und die
beiden großen parallelen Nord-Südstraßen mit
den Endpunkten der Burg und des Domes waren schnell bebaut und
bildeten den Kern der Stadt Lübeck. Das feuchte Gelände
nördlich und südlich des Hafens, mit dem Traveübergang
(Holstentor), wurde etwas später besiedelt. Im Osten
der Stadt gab es noch lange größere Freiflächen
so daß die Handwerker Siedlung um St.Ägidien und das
Johanniskloster die einzige Bebauung auf der östlichen Seit
der Halbinsel in der Frühzeit der Stadt darstellten.
1173 wurde in Anwesenheit Heinrichs des Löwen der Grundstein
für den steinernen Dom gelegt, der für den damaligen
Norden gewaltige Ausmaße hatte (urspr. ca. 90 m lang). Beim
Sturz des Löwen entging Lübeck durch geschicktes
Taktieren der Zerstörung und wurde 1188 von Kaiser Friedrich
Barbarossa mit Privilegien ausgestattet. 1226 wurde Lübeck
durch Kaiser Friedrich II die Reichsunmittelbarkeit zugestanden.
Schon 1227 wurde, nach dem Sieg von Graf Adolf IV über die
Dänen bei Bornhöved, die ehemals gräfliche Burg
in ein Dominikanerkloster umgewandelt. Lübeck war
somit weitgehend Selbständig.
1259 schloßen die Städte Rostock, Wismar und Lübeck ein Bündnis, dem 1283 auch Stralsund beitrat. Dieses Bündnis wird als die Keimzelle der späteren Hanse angesehen, dessen erster Hansetag in Lübeck erst 1358 stattfand, deren Politik aber im Wesentlichen von Lübecks Interessen bestimmt wurde, besonders nach dem Frieden von Stralsund 1370, der den Hauptgegener der Hanse, Dänemark ausschaltete. In der Grafenfehde von 1536 Verspielte Lübeck viel von seiner Macht. Nach dem Dreißigjährigen Krieg zerfiel dann die Hanse.
Ein Handelsvertrag mit Frankreich von 1716 brachte zwar noch einen Aufschwung im Rotweinhandel (Rotsporn), aber mit der Besetzung durch Napoleons Truppen 1806 und der anschließenden Kontinentalsperre gegen England bis 1813, wurde Lübeck wirtschaftlich fast völlig ruiniert und erholte sich kaum.
Lübeck wurde 1159 ein leicht abgewandeltes Soester Stadtrecht verliehen. Die älteste Kirche Soests war wie in Lübeck Petrus geweiht. Auch ein großer Teil der neuen Bürger Lübecks kam aus Westphalen und insbesondere Soest. Der Stadtgrundriß wurde aber nicht übernommen, zumindest nicht die äußerlich sichtbare Erscheinung.
Eher verwandt scheint Dortmund zu sein mit seinen beiden
parallelen Straßen in Längsrichtung der Stadtspindel.
Auch Goslar und Quedlinburg, sowie die Braunschweiger
und Hildesheimer Altstadt haben in einigen Bereichen
ähnlichkeit mit Lübeck.
Für den Hafenbereich bzw. das "Gründerviertel" gibt es vermutlich Vorbilder in Birka, Haithabu oder Wolin. Dort gab es Straßen die rechtwinklig zum Ufer angelegt sind und schmale lange Baublöcke bilden. Die Straßen waren meist Bohlwege die durch Schiffsbrücken verlängert werden konnten, und die am dem Ufer abgewandten Ende durch eine Uferparallele Straße verbunden wurden. Diese "Hafenkämme" waren in Städten mit Lübecker Recht weit verbreitet, wobei die Querstraße oft breiter war und einen Straßenmarkt bildete oder zumindest den rechteckigen Markt tangierend erschloß.
In Schleswig-Holstein sind Kiel (1242), Neustadt
(1244) und Heiligenhafen (1249) Beispiele. Städte
Lübecker Rechts im Osten sind u.a. Rostock
(1218), Wismar (1229), Stralsund (1234), Marienwerder
(1233), Elbing (1237), Braunsberg (1249) und Marienburg
(1274). Am deutlichsten wurde das Schema in der Elbinger Altstadt
verwirklicht.
Wichtiger als der von der ebenen Erde kaum wahrnehmbare Stadtgrundriß
ist Lübecks Einfluß auf anderen Gebieten, wie
zum Beispiel die optische Staffelung von Freifläche mit Rathaus
an einer Seite und dahinter herrvorragender Kirche, oder der Verbreitung
der "Französischen Kathedralgotik" entlang
der Ostsee durch die "Übersetzung" in Backstein,
welches in der lübecker Marienkirche zum erstenmal
im großen Umfang gelang.
Ausgesprochene Schachbrettstädte wie Aken (1212), Dresden (1216), Güstrow (1226), Friedland (1244) und Neubrandenburg (1248) scheinen eher auf Hannoverisch Münden (1183/5) zurückzugehen. Starke Verbreitung fand der regelmäßige Typ im Osten mit der Kulmer Handfeste, dem aus Magdeburg stammenden Stadtrecht von Kulm (1233). So z.B. Thorn (1233), Graudenz (1277), Allenstein (1353) und Neidenburg (1381).
Möglicherweise stammt die Idee aus Norditalien wo, vielleicht
angeregt durch die antike Stadtgrundrisse von Turin, Pavia
oder Verona ,Städte wie Trino (1182), Villafranca
di Verona (1185), oder Orzinovi (1193) entstanden.
Dieser Typ mag über Österreich, Kornellburg (1200),
Enns (1192), und Schlesien, Goldberg (1211), Löwenberg
(1217), seinen Weg nach Norden gefunden haben.
Einige Daten aus Lübecks Geschichte | |
1138 | Das an der Schwartaumündung gelegene "Alt Lübeck" wird durch Slawen zerstört. |
1143 | Erste Gründung von Lübeck am jetzigem Ort durch Graf Adolf II von Schauenburg. |
1150 | Vicilin, Bischof von Oldenburg, weiht den ersten Altar in Lübeck. |
1157 | Völlige Zerstörung durch Feuer. |
1159 | Neugründung durch Heinrich den Löwen Herzog von Sachsen. |
1160 | Verlegung des Bischofsitzes von Oldenburg nach Lübeck. |
1173 | Grundsteinlegung des Doms durch Heinrich den Löwen. |
1188 | "Barbarossa Privileg" durch Kaiser Friedrich Barbarossa. |
1226 | Ernennung zur Freien Reichsstadt durch Friedrich II. |
1227 | Schlacht von Bornhöved, Sieg der Schleswig-Holsteiner über Waldemar II von Dänemark. |
1251 | Großer Stadtbrand. |
1276 | Großer Stadtbrand, Ratsverordnung zugunsten von Backsteinbauten. |
1293 | Lübeck an Stelle von Visby höchste Rechtsinstanz für die Novgorodfahrer. |
1329 | Kauf von Travemünde und Priwall. |
1340 | Lübeck prägt als erste deutsche Stadt Goldgulden. |
1349 | Verheerendes Auftreten der Pest. |
1358 | Erster Hansetag in Lübeck. |
1363 | 1.Seekrieg gegen Waldemar Atterdag, Bürgermeister Johann Wittenborg wird nach verlorener Schlacht enthauptet. |
1370 | 2.Seekrieg gegen Waldemar Atterdag, Sieg im "Frieden von Stralsund". |
1375 | Besuch Kaiser Karls IV in Lübeck. |
1379 | Gründung des Wendischen Münzvereins durch Lübeck, Hamburg, Wismar und Rostock. |
1398 | Vollendung des Stecknitzkanals (Verbindung Trave-Elbe). |
1420 | Lübeck und Hamburg erobern gemeinsam die Burg in Bergedorf. |
1494 | Druck der ersten niederdeutschen Bibel in Lübeck. |
1523 | Lübeck verhilft Gustav Wasa auf den schwedischen Thron. |
1526 | Lübeck verhilft Friedrich I auf den dänischen Thron. |
1531 | Neue lutherische Kirchenordnung durch Bugenhagen in Lübeck eingeführt. |
1533 | Jürgen Wullenwever wird Bürgermeister. |
1536 | Nach der verlorenen Grafenfehde wird Wullenwever abgesetzt. |
1630 | Letzter Hansetag in Lübeck. |
1705 | Bach besucht Buxtehude, der Organist an der Marienkirche in Lübeck ist. |
1716 | Handelsvertrag mit Frankreich sichert führende Rolle im Rotweinhandel. |
1806 | Blücher kapituliert bei Ratekau, die Franzosen (unter Bernadotte) plündern Lübeck. |
1813 | Lübeck von den Franzosen befreit (Bernadotte als schwedischer Kronprinz) |
1851 | Erste Bahnverbindung, nach Büchen. |
1865 | Vollendung der Bahnlinie Hamburg-Lübeck. |
1868 | Beitritt zum Deutschen Zollverein. |
1900 | Inbetriebnahme des Elbe-Travekanals. |
1937 | Beendigung von Lübecks Reichsfreiheit im "Groß-Hamburg-Gesetz". |
1942 | Bombenangriff am 29.März. Völlige Zerstörung des "Gründerviertels". |
Verwendete oder weiterführende Literatur :
> Grundstückgefüge und Hausbau in Lübeck.
> Andere Städte und Allgemeine Entwicklung von Stadtgrundrissen.
> Weitere Quellen von Stadtgrundrissen oder Vorlagen für Umzeichnungen.
( Pläne 1 : 2000 )
( Pläne 1 : 10000 )
Braunsberg, um 1240 Ansiedlung
1254 Lübecker Stadtrecht
1260 Zerstörung und Neuanlage
im alten Herzogtum Sachsen : Hannoversch Münden um 1183 und Lippstadt 1185.
an der Elbe : Aken a.d.Elbe 1214 und Dresden um 1214 angelegt.
in Mecklenburg : Güstrow 1226 und Neubrandenburg 1248.
Templin 1240, Demmin 1249 und Wittstock.
Stadterweiterungen :
Mühlhausen, Neustadt um 1220 und Freiberg in Sachsen, Oberstadt 1210.
(Auch Braunschweig-Hagen 1160?, Quedlinburg Neustadt um 1200 und Hildesheim Neustadt 1220)
[ Um 1143 hatten Graf Adolf von Holstein aus dem Haus der Schauenburger
und der Welfenherzog Heinrich der Löwe sich zunächst
über die Abgrenzung ihrer Interessensphären verständigt.
Die Burg Segeberg wurde verstärkt und der Graf warb um Siedler
für das entvölkerte Land.]
Kap.57. "Die Erbauung der Stadt Lübeck."
"Da nun das Land verlassen war, schickte er Boten in alle
Lande, nämlich nach Flandern, Holland, Utrecht, Westfalen
und Friesland, daß jeder, der zu wenig Ackerboden hätte,
mit seiner Familie kommen sollte, um das schönste, geräumigste,
fruchtbarste, an Fisch und Wild überreiche Land nebst günstigen
Weidegründen zu erhalten . . . Daraufhin brach eine zahllose
Menge aus den verschiedenen Stämmen auf, nahm Familie und
Habe mit und kam zu Graf Adolf nach Wagrien, um das versprochene
Land in Besitz zu nehmen. . . . Danach kam Graf Adolf an einen
Ort namens Bukow und fand dort den Wall einer verlassenen Burg,
die [der Slawenfürst] Kruto, der Feind Gottes, erbaut hatte,
und eine sehr große, von zwei Flüssen umgebene Halbinsel.
An der einen Seite floß die Trave, an der anderen die Wakenitz,
beide mit sumpfigem, unwegsamen Ufer. Dort aber, wo das Land wegfest
war, liegt ein schmaler Hügel, der dem Burgwall vorgelagert
ist. Da nun der umsichtige Mann sah, wie passend die Lage und
wie trefflich der Hafen war, begann er dort eine Stadt zu bauen
und nannte sie Lübeck, weil sie von dem alten Hafen und Hauptort,
den einst Fürst Heinrich angelegt hatte, nicht weit entfernt
war. So bevölkerten sich die Einöden Wagriens; die Menschen
nahmen zu."
Kap.86. "Über die Erbauung der Löwenstadt."
"Um jene Zeit (1157) wurde die Stadt Lübeck von einer Feuersbrunst verzehrt, und die Kaufleute und die übrigen Einwohner schickten zum Herzog [Heinrich dem Löwen] und ließen sagen: "Lange ist es schon her, daß der Markt zu Lübeck nach eurem Befehl nicht besucht werden darf.. Wir sind zwar bislang in der Stadt geblieben, da wir hofften, den Markt durch euer gnädiges Wohlwollen wieder eröffnet zu erhalten, und uns nicht entschließen konnten, unsere mit großen Kosten errichteten Gebäude zu verlassen; nachdem aber nun unsere Häuser verbrannt sind, scheint es sinnlos, einen Ort wieder aufzubauen, wo kein Markt sein darf. Gib uns also Raum für die Gründung einer Stadt an einem Ort, der dir genehm ist." Daraufhin bat der Herzog den Grafen Adolf, ihm Hafen und Halbinsel Lübeck abzutreten. Der wollte das nicht tun. Da gründete der Herzog eine neue Stadt jenseits der Wakenitz, nicht weit von Lübeck, im Lande Ratzeburg, und began sie zu erbauen und zu befestigen. Und er nannte sie nach seinem Beinamen "Löwenstadt", also die Stadt des Löwen.
Weil aber dieser Platz sowohl für einen Hafen wie für
eine Festung wenig günstig und nur mit kleinen Schiffen erreichbar
war, nahm der Herzog die Verhandlungen mit Graf Adolf über
Halbinsel und Hafen von Lübeck nochmals auf und versprach
viel dafür, fals dieser nachgeben würde. Endlich wurde
der Graf umgestimmt, weil die Not ihn dazu zwang, und er trat
jenem Burg und Halbinsel ab. Alsbald kehrten auf den Befehl des
Herzogs die Kaufleute freudig zurück, verließen die
ungünstige Stelle und begannen, Kirchen und Mauern der Stadt
aufzubauen. Der Herzog aber sandte Boten in die Hauptorte und
Reiche des Nordens, Dänemark, Schweden, Norwegen und Rußland,
und bot ihnen Frieden, damit sie Zugang zu freiem Handel in seiner
Stadt Lübeck haben sollten. Er verbriefte Lübeck auch
eine Münzstätte, einen Zoll und höchst ansehnliche
Stadtfreiheiten. Seit diser Zeit gedieh das Leben in der Stadt,
und die Zahl ihrer Bewohner vervielfältigte sich bald."
Hemold von Bosau, Slawenchronik, neu übertragen von H. Stoob, Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe,
Band 19, S. 211 f. und 303 f. (1963 - Übersetzung durchgesehen).